Rekrutierung von Pflegekräften: Jede Menge verschenkte Potenziale

Studie der nexum AG und HC&S AG in großen Kliniken

Joachim Krekel von HC&S - Ihr Team für erfolgreiches Klinikmanagement

Die großen Kliniken in Deutschland beklagen einen eklatanten Mangel an Pflegekräften. Gleichzeitig verschenken sie bei ihren Rekrutierungsbemühungen erhebliche Potenziale, indem sie ihre Kandidat*innen falsch ansprechen. Besondere Schwächen offenbaren die Häuser bei der Wahl ihrer Kommunikations- und Rekrutierungskanäle, insbesondere Social Media wird stiefmütterlich behandelt. Auch die zunehmend wichtige Gruppe der ausländischen Pflegekräfte in und außerhalb Deutschlands wird kaum professionell berücksichtigt. Die Helios Kliniken orchestrieren ihre Rekrutierungsinstrumente von Employer Branding über Website und Bewerbungsprozess bis zu Community Management und Kampagnen noch am besten, gefolgt von der Charité und Asklepios. Am Ende des Gesamt-Rankings stehen mit Freiburg, Essen sowie Gießen und Marburg drei Universitätskliniken.

Dies ist das Ergebnis der qualitativen Studie „Digitales Recruiting von Pflegekräften: Potenziale, Präferenzen und Probleme“, durchgeführt im Sommer 2023 von der Digitalagentur und Beratung nexum AG und der HC&S AG. Im Rahmen der Studie wurden die Karriere-Websites und Social-Media-Kanäle von 21 großen Klinikverbünden und Universitätskliniken nach 75 Beurteilungskriterien analysiert und bewertet. Zur Verifizierung wurden die Ergebnisse in rund 20 Tiefeninterviews mit Personalverantwortlichen und Pflegekräften aus Kliniken gespiegelt und gewichtet.

Erheblicher Nachholbedarf beim übergeordneten Employer Branding

 

„Es ist wie als wäre der Markt leer.“ „Diese Zitat einer Pflegekraft aus den Interviews bringt die äußerst schwierige Situation bei der Suche nach Mitarbeiter*innen auf den Punkt“, sagt Arne Sonnabend, Studienleiter bei der nexum AG. „Gleichzeitig statuieren die interviewten Pflegekräfte einhellig, dass das Image ihres Berufsbildes schlecht ist. Das übergeordnete Employer Branding ist der richtige Weg, dieses Image nicht nur aufzupolieren, sondern glaubhaft um Pflegekräfte zu werben. Hier haben fast alle untersuchten Häuser erheblichen Nachholbedarf“, führt Sonnabend aus. „Es fällt auf, dass beispielsweise kaum modernere Kommunikationsformate auf den Websites stattfinden, so zeigen etwa nur die Hälfte aller Kliniken ein Image-Video, eigentlich ein Must Have im Employer Branding.

Diversity und Nachhaltigkeit sind in vielen Branchen wichtige Themen, nach denen Kandidat*innen explizit fragen. Für die interviewten Pflegekräfte spielen die beiden Bereiche allerdings kaum eine Rolle. Am wichtigsten sind Ihnen vielmehr rasch auffindbare, persönliche Kontakte auf der Website sowie klare Informationen zum Bewerbungsprozess. Nur knapp die Hälfte der untersuchten Häuser erfüllt hier die Erwartungen. Bei den Stellenangeboten bieten lediglich sieben der 21 Kliniken eine Filtermöglichkeit nach Vollzeit oder Teilzeit, obwohl die Arbeitszeit für die Pflegekräfte einer der wichtigsten Aspekte bei der Jobsuche ist. Viele Kliniken listen sämtliche offene Stellen untereinander auf einer Seite auf, für nahezu alle interviewten Pflegekräfte setzt diese Darstellung des scheinbaren Missverhältnisses zwischen Angebot und Nachfragen ein abschreckendes Signal.

Beleuchtet man den von den Kliniken auf ihren Websites angebotenen Bewerbungsprozess, tut sich eine erhebliche Spanne auf. Diese reicht von einer formlosen Online-Kurzbewerbung mit nur wenigen verpflichtenden Angaben bis zu „Old-School“-Bewerbungen auf dem Postweg. Unterschiedlich lang ist auch der Weg bis zum Erreichen einer konkreten Stellenanzeige: Je nach Auftritt reicht dieser von einem bis zu vier Klicks. „Nicht nur in Sachen digitale Medizin, sondern auch in Sachen digitales Recruiting haben deutsche Krankenhäuser immensen Nachholbedarf,“ meint Dr. Nicolas Krämer, Vorstandsvorsitzender von HC&S.

Social Media? Da war doch was…

 

Die größten Schwächen in der Rekrutierung offenbaren die Kliniken ausgerechnet im für die Zielgruppe wichtigsten Kanal, den Sozialen Medien von Instagram und Facebook bis zu den bekannten Arbeitgeber-Bewertungsportalen. Keine der Kliniken konnte die Marke von 75 Prozent möglichen Bewertungspunkten erreichen; die meisten liegen, teils deutlich, unter 50 Prozent.

In den Interviews kristallisierte sich vor allem Instagram als ein präferierter Kanal für Information und Kommunikation heraus. Die Social-Media-Aktivitäten der Kliniken wurden in einem Zeitraum von drei Monaten beobachtet. In dieser Spanne postete Vivantes 46 Beiträge auf Instagram, davon hatten 86 Prozent einen klaren Karrierebezug. Helios postete im selben Zeitraum zwar 75-mal in seine Followerschaft, sparte dabei aber Karrierethemen vollständig aus. Der Kanal der Uniklinik Köln blieb im untersuchten Zeitraum verwaist. Lediglich knapp die Hälfte der Kliniken nutzt das maßgebliche Arbeitgeberportal kununu, indem sie regelmäßig Unternehmensinformationen pflegen oder Kommentare beantworten.

Lohnenswert: Ein Blick über den Tellerrand

 

Ein wachsendes Potenzial bieten ausländische Pflegekräfte, sei es in Deutschland oder über die Grenzen hinaus. Die Ansprache dieser Kandidatengruppe erfolgt allerdings eher unprofessionell und wenig adäquat. Nur knapp 40 Prozent der analysierten Häuser haben eine so genannte „Landing Page“ speziell für internationale Pflegekräfte. Lediglich 7 der 21 Karriereseiten sind zumindest in englischer Sprache verfügbar – meist dann allerdings in abgespeckter Form. Nur zwei Karriereseiten bieten eine weitere Fremdsprache an. Dabei ist dies ein wichtiger Faktor, gerade, wenn man sich mit seinem Angebot gezielt an einen bestimmten Sprachraum richtet. Auch über mögliche (spätere) Sprachschulungen im Falle einer erfolgreichen Rekrutierung aus dem Ausland informieren die wenigsten Kliniken. Und: Keine der Kliniken postet in einer Fremdsprache über global verbreitetes Social Media.

„Die Häuser haben natürlich längst die Dringlichkeit einer umfangreichen Neuausrichtung und Gestaltung ihrer Rekrutierungsmaßnahmen erkannt, wissen um die Bedeutung eines modernen Arbeitgeberauftritts. In der Umsetzung hinken aber beinahe alle hinterher. Kampagnen sind meist veraltet und zu traditionell, wichtige Kanäle werden gar nicht oder nur rudimentär genutzt und ganze Zielgruppen außenvorgelassen. Hier braucht es neues Denken und Handeln. Dabei lohnt durchaus der Blick über die Grenzen. In den Niederlanden etwa ist man deutlich besser und moderner aufgestellt“, konstatiert Arne Sonnabend. „Es ist verwunderlich, dass selbst im Zeitalter des Fachkräftemangels so viel Nachholbedarf besteht. Die Folge ist, dass Kliniken in der Pflege immer häufiger auf teure Leiharbeitskräfte zurückgreifen müssen, was ihre angespannte Situation weiter verschlimmert,“ merkt Dr. Nicolas Krämer an.

Symbolbild Rekrutierung von Pflegekräften

Bildquelle: Adobe Stock

Kerstin Kröning, Leitung Marketing & Kommunikation

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